Winterbiwak: Raus aus dem Alltag, rein ins Abenteuer!

Fotos: Ruedi Thomi

Schon der englische Abenteurer und Autor Alastair Humphreys wusste: Man muss nicht um die halbe Welt fliegen, um die Zivilisation hinter sich zu lassen, die Natur zu erleben und sich frei zu fühlen. Seinen Horizont kann man schon vor der eigenen Haustüre erweitern. Schliesslich liegt zwischen zwei Arbeitstagen eine Nacht, die eine ganze Woche bereichern kann. Mit einem kleinen Abenteuer, das Humphreys «Microadventure» taufte, lassen sich neue Energien tanken und unvergessliche Naturerlebnisse zum Festhalten für die Ewigkeit sammeln. Dafür braucht man weder viel Zeit noch viel Vorbereitung oder Geld, wie die Heimabenteurer Pascal Heimberg und Andi Lütolf nur zu gut wissen. Im Interview berichten die beiden TRANSA-Mitarbeiter von ihrem Winterbiwak auf dem Pilatus.

Die TRANSA-Mitarbeiter und Heimabenteurer Pascal Heimberg und Andi Lütolf bei ihrem «Microadventure», einer Nacht im Winterbiwak auf dem Pilatus.

Wenn Menschen das Abenteuer suchen, blicken sie meistens in die Ferne. Nicht so ihr beiden. Warum?

Pascal: Oft kennen wir unsere nahe Umgebung weniger gut, als viel exotischere Reiseziele. Dabei kann man in der Schweiz auf kleinem Raum viel erleben, ohne weit reisen oder aufwendig packen zu müssen. Ausserdem sind an Wochentagen und davon haben wir ja bekanntlich mehr als Feiertage oder Wochenenden die schönsten Plätze der Schweiz nicht überlaufen und somit ideal für ein «Microadventure.»

Andi: Als Luzerner ist man tagtäglich mit der umgebenden Berglandschaft konfrontiert. Man liebt den Hausberg und weiss, dass man die Natur direkt vor der Haustüre hat.

Nehmt uns einen Moment mit auf den Berg. Wie kann man sich eine Nacht im Winterbiwak auf dem Pilatus vorstellen?

Andi: Du bist alleine echt alleine, denn auch die letzten Winterwanderer sind abends längst zurück in der Wärme. Durch den Schnee, der alle anderen Geräusche schluckt, herrscht eine Totenstille man hört nichts ausser den Wind.

Pascal: Genau und entgegen der Befürchtungen vieler ist die Nacht im Winterbiwak mit der richtigen Ausrüstung nicht kalt, sondern angenehm warm. Ich hatte den Eindruck, dass der Abend für einen gewöhnlichen Wochentag aussergewöhnlich lang war. Wir sind angereist, haben unser Lager aufgestellt, ein Feuer gemacht, gekocht, gegessen und sind dann schlafen gegangen im Vergleich zu einem Abend auf dem Sofa war die Dichte an Erlebnissen eindrücklich.

Was muss man bei der Planung eines Winterbiwak-Abenteuers beachten?

Pascal: Die Wahl des Biwakplatzes ist wichtig. Dafür gibt es viele Kriterien, wie zum Beispiel die Höhenmeter, die Aussicht, die Schneeverhältnisse, den Wind, die Anreise, die mögliche Lawinengefahr und die Platzverhältnisse, wenn man mit mehreren Personen unterwegs ist.

Andi: Zusätzlich muss man die richtige Ausrüstung mitnehmen, sonst wird die Nacht ungemütlich. Und man braucht genügend Kalorien, um Energie für den Auf- und Abbau zu haben.

Bei jeder Tour gilt es, alles Nötige, aber immer nur das Nötigste mitzunehmen. Was sind eure Must-Haves für Nacht im Winterbiwak?

Pascal: Eine richtig gute Iso-Matte und ein warmer Schlafsack. Ausserdem braucht man warme Winterschuhe. Beim Rumstehen friert man sehr schnell an den Füssen und es ist schwierig, diese später wieder zu erwärmen. Um auch in der Nacht den Kopf und das Gesicht warm zu halten, lohnt sich eine Mütze und ein Schal oder Halstuch. Zusätzlich braucht man Bekleidung im Schichtenprinzip, um die Temperatur regulieren zu können beim Arbeiten schwitzt man teils unerwartet schnell, nur um dann beim Rumsitzen wieder zu frieren. Zu guter Letzt dürfen in meiner Ausrüstung eine kleine Axt und/oder gutes Outdoor-Messer sowie ein Feuerzeug fürs Lagerfeuer nicht fehlen.

Andi: Nützlich ist auch eine gute Schaufel und eine Kamera mit Langzeitbelichtung.

Es gibt Dinge, ohne die man sein könnte, aber nicht sein möchte. Welche Wildcards habt ihr im Gepäck?

Pascal: Mein persönlicher Luxus sind richtig warme Winterstiefel. Wer einmal länger an den Füssen gefroren hat weiss, warum. Das Grösste für mich ist aber ein Lagerfeuer, das Licht und Wärme spendet.

Andi: Mir ist gutes Essen sehr wichtig auch am Berg. «Microadventures» bedürfen ja zumeist keinen langen Anreiseweg, also kann man auch gut Essen tragen und muss sich nicht mit Trockennahrung begnügen.

Was ist das beste Lagerfeuer-Essen?

Pascal: Also, wir hatten abends Raclette und das war köstlich! Wenn es einfach sein soll, mag ich am liebsten Pasta-Gerichte, da sie nicht lange kochen müssen, nicht viel Wasser benötigen und den Körper nachts schön wärmen. Am Morgen schwören viele auf kalte Kost. Ich aber mag am liebsten eine grosse Portion Porridge mit Zucker und Zimt und vielleicht sogar Apfelstücken. Das hält lang in den Tag hinein und wärmt zum Start in den Morgen.

Worauf muss man beim Kochen in der Natur achten?

Pascal: Beim Kochen gilt natürlich wie bei allem die Devise «leave no trace», das heisst die Natur soll so bleiben, wie sie vorgefunden wurde. Essensreste, Kohle und Asche vom Feuer, Müll alles wird wieder eingepackt oder fachgerecht entsorgt. Der nächste Abenteurer soll den Platz genauso unberührt vorfinden, wie man es selbst durfte. Im Winter kühlt das Essen sehr schnell aus, darum kann ein isoliertes Gefäss oder eine Neopren-Hülle Sinn machen.

Man schläft, wie man sich bettet Wie wählt man einen guten Schlafplatz für das Winterbiwak aus?

Andi: Bo Hilleberg, der Zeltproduzent, hat mir einmal erzählt, dass er sich vor einer Schlafplatzeinrichtung immer in Winterkleidern in den Schnee legt, um zu testen, ob der Boden gerade ist und wie er sich anfühlt. Hat er den richtigen Ort gefunden, baut er dort seinen Platz auf. Ich mache es seither genauso.

Pascal: Generell muss der ideale Platz flach, windgeschützt, aussichtsreich und gross genug sein. Wenn schon, denn schon! Praktisch ist auch, wenn Brennholz vorhanden ist.

Einer der Vorteile des Winters ist ja, dass man aus Schnee vieles bauen kann. Wie sieht das ideale temporäre Heim aus und was muss man beachten?

Andi: Erst kommt der Nachteil des Schnees. Du musst ihn nämlich mit den Schneeschuhen zuerst flach stampfen, damit man eine ebene Fläche hat, um das Zelt aufzustellen. Um später bequem im Zelt sitzen zu können, trägt man den Schnee zwischen Eingang und Innenzelt ab und türmt ihn als Windschutz rund ums Zelt wieder auf.

Wie zieht man sich am besten um?

Pascal: Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man zieht sich im Stehen das heisst im Freien um, oder im Zelt und damit im Liegen, was meist ein «Gewurstel» ist. Ich ziehe mich draussen um, mache ein paar Hampelmänner, um den Körper aufzuwärmen und steige dann in den Schlafsack. Wenn ich tagsüber oder beim Aufbau des Lagers geschwitzt habe, schlafe ich ungern in der gleichen Kleidung, da ich dann schneller friere. Auch wenn die Socken feucht sind, tausche ich sie gegen ein frisches Paar aus.

Was, wenn die Blase mitten in der Nacht drückt?

Pascal: In meinem Alter ist das definitiv ein Thema. (lacht) Entweder man zieht es durch und schläft wieder ein. Das funktioniert aber selten. Nach draussen gehen mag nicht attraktiv sein, aber der Schlafsack ist bei der Rückkehr ins Zelt schön warm. Die Alternative, im Zelt in eine Flasche zu pinkeln, ist für mich nur in absoluten Notfällen eine Lösung.

Andi: Ich gehe auf alle Fälle raus!

Wohin mit der Elektronik?

Andi: Am besten gleich mit in den Schlafsack ganz nach unten.

Manche füllen eine Trinkflasche mit heissem Wasser und nehmen sie mit in den Schlafsack. Was sind eure Tipps für einen angenehmen Schlaf?

Andi: Wenn der Schlafsack warm genug ist, benötigt man keine zusätzlichen Wärmequellen. Vor dem Schlafengehen kann man Wärme generieren, indem man kurz am Stand springt oder einmal rund ums Zelt läuft. Diese Wärme kann man dann gleich mit in den Schlafsack nehmen.

Pascal: Zum Schlafsack gehört unbedingt eine wintertaugliche Isomatte. Dazu trage ich im Winter immer eine Mütze und ein BUFF um Hals und Gesicht. Meine warme Daunenjacke stopfe ich ins Fussende meines Schlafsackes. Das gibt eine schöne, zusätzlich isolierte Fussbox und hält die Füsse warm (und die Daunenjacke ist am Morgen schon vorgeheizt).

Was ist eure Botschaft an unsere Leser? 

Pascal: Nicht lange planen und zögern, sondern einfach machen. Für den Anfang ein ruhiges Plätzchen in der Umgebung suchen und ausprobieren. Auch einen guten «Buddy» mitnehmen, denn zusammen macht so ein «Microadventure» einfach mehr Spass. Und man kann sich die Packliste etwas aufteilen und sich gegenseitig aushelfen, wenn doch mal etwas fehlen sollte. Und die Blicke am Arbeitsplatz geniessen, wenn man am Morgen mit dem grossen Rucksack und nach Lagerfeuer stinkend mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht auftaucht und ganz normal in seinen Arbeitstag startet

SPOT TIPP: Biwak der anderen Art Iglubau 

Alle Jahre ein Highlight: Vom 8.-10. März findet das TRANSA Winterfestival auf der Tannalp (Melchsee- Frutt) statt. Die schneesichere Hochebene auf 2000 M.ü.M bietet bietet ideale, winterliche Bedingungen für den Bau einer anderen Art von Unterkunft: Dem Iglu! Alle Infos und Workshop-Angebote finden Sie unter transa.ch/winterfestival 

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