Wanderherbst: Geniesser auf der Rigi

Fotos: Justin Hession

Es gibt Gipfel, die man erklommen haben muss wenn auch nicht unbedingt mit eigener Muskelkraft. Dazu zählt Rigi Kulm. Auf dem Retourweg wird das Genusswandern hier zur echten Musse.

Seit jeher üben die Berge eine Faszination auf die Menschheit aus. Einst glaubte man, die stummen Riesen seien der Sitz der Götter und Dämonen. Dann bezwang man sie und wurde selbst zu Herren der Welt. Manche Berge blieben unerreicht; andere machten es den Gipfelstürmern leicht. Darunter auch die Rigi, die sie mit Schönheit nicht Höhenmetern in die Knie zwang.

Bis heute ist der Zauber der Königin der Berge ungebrochen. Wie eine Insel schiebt sich der Bergrücken in den Vierwaldstättersee, formt eine Bühne, von der man das Herz der Schweiz überblickt. Gefühlt wirkt der höchste Gipfel, Rigi Kulm, wo man den Sonnenuntergang einmal im Leben gesehen haben muss, viel mächtiger als seine tatsächlichen 1800 Höhenmeter. Der Grund dafür ist wohl die Kulisse aus Pilatus, Eiger, Jungfrau und Co, mit der man sich auf Augenhöhe wähnt. Eine optische Täuschung natürlich, die der Herrlichkeit keinen Abbruch tut.

Wer hierher will, kann den Aufstieg natürlich selbst unter die Beine nehmen. Aber man muss es nicht. Seit über 150 Jahren führt die älteste Bergbahn der Welt auf die Rigi. Früh aufstehen lohnt sich. Noch vor den ersten Gruppen an Tagestouristen steht man so schon auf der Sonnenterrasse von Renate Käppeli, die das über 200-jährige Gipfelhotel mit ihrer Familie führt, und blickt entzückt auf die Welt. Tief unten im Tal schlummern Seen, Städte, Dörfer und Wälder winzig klein wie ein Miniaturenland. Darüber erhebt sich ein Zackenmeer aus Stein, Schnee und Eis. Idyllischer geht es kaum.

Wer jetzt die Wanderschuhe schnüren will, hat die Wahl aus 120 Kilometer Wanderwegen vom hindernisfreien Spaziergang bis zur exponierten Kletterei, zu Orten von welt- bis unbekannt.

Wir wählen mit dem «Alpengenussweg» eine Route im Abseits für Romantiker, die das Wandern als Mussetat zelebriert. Für einmal geht es nicht darum, viele Höhenmeter möglichst schnell zu stiefeln. Auf unserem Weg von Rigi Kulm nach Rigi Klösterli tun wir etwas, das wir in der heutigen durchgetakteten Zeit viel öfter machen sollten: wir werden zu Flaneuren. Wir geniessen die Entschleunigung und widmen uns Dingen, die im Alltag nicht laut genug sind, um wahrgenommen zu werden so wie die Bergblumen und wilden Kräuter am Wegesrand. Wir kehren bei Franz-Toni Kennel auf der Chäserenholzalp auf Kaffee mit Alpenmilch ein, kaufen Käse bei der Familie Dahinden-Annen auf der Alp Trieb und halten an der Grillstelle Riedboden für den Zmittag vom Grillrost und um die Füsse im nahen Wasserfall einzutauchen. Fünf Wanderkilometer verteilt auf den Tag.

So finden wir nicht nur ungestörte Zeit zu zweit, um über Gott und die Welt zu sinnieren und einander wieder so richtig wahrzunehmen, sondern tanken auch neue Energie. Es ist eine kleine Auszeit mit grosser Wirkung, die in uns eine neue Bergsehnsucht entfacht.

KURZ & BÜNDIG

Route «Alpengenuss»: Rigi Kulm Alp Chäserenholz Alp Trieb Rigi Klösterli

Aufstieg: + 97 hm, Abstieg: - 442 hm

Anreise mit den Rigi Bahnen ab Rigi Goldau, Rückreise ab Rigi Klösterli

rigi.ch