Trailrunning: Zug um Zug um den Kanton

Fotos: Justin Hession

Baar | Sportliche Grenzerfahrungen können sehr unterschiedlich sein. Mal fordert die Weite, mal die Höhe, mal die Steigung. In Zug kommt eine ganz neue Dimension hinzu: Der Streckenverlauf. Auf rund 110 km führt eine Tour die Kantonsgrenze entlang vom tiefsten bis zum höchsten Punkt und über den Zugersee. Unsere Autorin hat es einfach mal laufen lassen.

Ich gehe den Tag von Anfang an sportlich an: Vom Bett direkt auf den Berg das ist ein Luxus, den man hier in Baar als Selbstverständlichkeit buchen kann. Durch mein Hotelfenster in der beschaulichen Stadt direkt neben Zug blinzle ich den ersten Sonnenstrahlen entgegen und hüpfe quietschvergnügt aus den Federn. Das Frühstück geht heute schnell, im leichten Laufrucksack landen eine Handvoll Energieriegel und eine grosse Wasserflasche. Für den Fall der Fälle packe ich noch eine regendichte Windjacke und ein Wechselshirt obendrauf. Schon gehts los: Zusammen mit meinem Running-Kollegen Martin schwinge ich mich ins Postauto, das uns innert weniger Minuten nach Sihlbrugg bringt.

Hier ist es Zeit zum richtig Wachwerden: Wir steigen in die erste Etappe unserer «Grenzerfahrung» ein. Sie ist eine Herausforderung der besonderen Art, der wir uns als begeisterte Trailrunner entlang der Kantonsgrenzen von Zug stellen wollen. Die Route wird uns auf insgesamt 109 km durch zahlreiche verschiedene Landschaften führen. Von der intakten Moorlandschaft bis zum alpinen Grat ist auf der Strecke alles dabei inklusive ständig wechselnden Panoramablicken in die umliegende Bergwelt. Der Weg verläuft auf ausgeschilderten Wander- und Spazierwegen und verbindet damit die Vielseitigkeit des Kantons.

Erfahrene Runner schaffen die Tour an einem Tag. Wir lassen uns Zeit, um die Etappen zu geniessen und an den Aussichtspunkten immer wieder Pausen einzulegen. So wird daraus ein perfektes verlängertes Running-Wochenende, randvoll mit der Inspiration des warmen Herbstes, mit fantastischen Eindrücken von der Umgebung und mit diesem unbeschreiblichen Hochgefühl, das beim Trailrunning immer auch ein wenig die Seele mit berührt.

1. ETAPPE: DER WILDE WESTEN

Sihlbrugg Reusssspitz Rotkreuz 40 km, 483 Hm bergauf, 590 Hm bergab

Auf gut befestigten Feldwegen starten wir, den Kanton Zürich immer in Griffweite, in Richtung Norden an kleinen Wäldern vorbei. Wir laufen durch Kappel am Albis und planen am Kloster Kappel eine erste Verschnaufpause ein. Danach lassen wir Uerzlikon rechts liegen und queren den Steinhauser Wald. Von hier geht es weiter bis zur Reussspitz: ein idyllisches Plätzchen direkt an der Reuss, das auf 388 m ü. M. den tiefsten Punkt der Gesamtstrecke markiert. Im Schatten der Laubbäume geniessen wir für eine Weile den Blick hinüber ins Aargau.

Auch den «Milchsuppenstein», einen historischen Grenzstein oberhalb des Weilers Rüteli, nehmen wir noch mit und erfreuen uns an der Weitsicht. Ein Blick ins Jahr 1592 erklärt den lustigen Namen: Bei einer Milchsuppe feierten Katholiken und Reformierte der Region, nachdem sie sich zuvor feindselig gegenüberstanden, hier ihre Verbrüderung. Vom Rauschen der Reuss lassen wir uns nun bis zu unserem Tagesziel nach Risch-Rotkreuz begleiten. Der Ort am Ufer des Zugersees ist ideal, um am Abend erfüllt und erschöpft mit dem öV wieder nach Baar zurückzukommen.

2. ETAPPE: DAS HIGHLIGHT

Walchwil Wildspitz Morgarten 20 km, 1336 Hm bergauf, 1060 Hm bergab

Am nächsten Tag nehmen wir an der gegenüberliegenden Uferseite in Walchwil unsere Fährte wieder auf und orientieren uns ostwärts, nun entlang der Kantonsgrenze zu Schwyz. Im Visier: der Aussichtspunkt Wildspitz. Er ist mit 1579 m ü. M. der Höhepunkt der Route und zugleich der «Top of Zug». Endlich geht es richtig bergauf: In zackigen Serpentinen, auf schmalen Wegen und über einen flachen Grat nähern wir uns über den Rossberg dem beliebten Aussichtsgipfel.

Immer wieder halte ich Martin an, das Tempo zu drosseln, um den Ausblick auf den Zugersee, den Lauerzersee und Ägerisee, die benachbarte Mythenregion und die harmonisch fliessende Alpenlandschaft um uns herum voll und ganz aufnehmen zu können. Am Gipfelkreuz angekommen reissen wir die Arme vor Freude in die Höhe und gönnen uns ein langes Durchschnaufen. 360 Grad Schweiz pur liegen uns zu Füssen: Der Blick von den flachen Ausläufern ins Unterland über die städtische Dichte von Zürich bis hin zu den Zacken und Zähnen der Zentralalpen ist an Vielfalt kaum zu überbieten. Aufgetankt mit Energie und guter Laune läuft der Abstieg nach Morgarten fast wie von selbst. Eine letzte Extraschleife nehmen wir kurzerhand noch zum Morgartendenkmal am Ägerisee: ein auffällig gemauertes Denkmal, das an die «Helden des Morgartens» bei der historischen Freiheitsschlacht der Eidgenossen gegen die Habsburger von 1315 erinnert und heute den Aktivitäten des Informationszentrums Morgarten angegliedert ist.

3. ETAPPE: DER ENDSPURT

Morgarten Sihlbrugg42 km, 1425 Hm bergauf, 1613 Hm bergab

Dann heisst es Endspurt. Und zwar knackig. Der dritte und letzte Etappentag führt uns zunächst durch flaches Gelände, über breite Feldwege und durch weitläufige Wiesen. Kurzen Schrittes und mit hohem Puls arbeiten wir uns auf das Gipfelplateau des Morgartenbergs (1243 m ü. M.) hinauf und werden erneut mit einer wundervollen Panoramasicht über den Ägerisee belohnt. Wieder im Tal angelangt, fliesst die Tour durch eine Auenlandschaft dahin, durch Hochmoor rund um Rothenthurm, dem grössten zusammenhängenden Hochmoor der Schweiz.

Die Weite der Landschaft tut gut. Sie verschafft nicht nur dem Auge eine Pause, sondern lässt auch meinen Puls wieder zur Ruhe kommen. Die letzte grosse Steigung ist der Höhronen (1229 m ü. M.) am östlichen Kantonsrand zu Zürich. Beeindruckt vom Sihlsprung, einem über 1 km langen Abschnitt des Sihltobels, geniessen wir die Kühle der hohen Steilwände der Schlucht, den schattigen Naturweg und einen kurzen, in den Felsen gehauenen Tunnel entlang des Wasserlaufes. Die letzten Kilometer bis Sihlbrugg führen uns durch eine bizarre Felslandschaft, die uns wieder daran erinnert, dass Zug seinen ganz eigenen, alpinen Charakter hat.

Praktisches


Tour entlang der Kantonsgrenze

Gesamtlänge: 109 km

Höchster Punkt: 1568 m ü. M.

Anstieg (insgesamt): 2819 Hm

Gefälle (insgesamt): 2771 Hm


Weitere Infos und Übernachtungsmöglichkeiten unter zug-tourismus.ch

Einkehrmöglichkeiten (Auswahl): Sihlmatt, Gottschalkenberg, Zollhaus Sins, Gasthaus Engel Walchwil, Wildspitz, Klosterrestaurant Kappel am Albis


Zug Tourismus

Bahnhofplatz

6300 Zug

+41 (0)41 723 68 00

zug-tourismus.ch


Zug Card

Ab zwei Übernachtungen profitieren Gäste vonfreier Fahrt mit dem öV und vielen attraktiven Reduktionen auf Freizeitangebote. zug-tourismus.ch


Trailrunning rund um Zug

Zugerberg Finanz TrophyDie Zugerberg Finanz Trophy ist ein kostenloses, für alle zugängliches Sporterlebnis in der Natur. Sportler und Sportlerinnen begeben sich zum jeweiligen Etappenort und folgen von dort den Wegweisern und Bodenmarkierungen. Die ausgeschilderten Strecken führen über erstklassige Wege durch malerische Gegenden. Entweder man geniesst das pure Erlebnis in der Natur oder man verausgabt sich für eine neue Bestzeit. Die gestoppten Zeiten erscheinen auf der virtuellen Rangliste. Die Teilnahme ist rund um die Uhr möglich und starten kann man, so oft man will. zugerbergfinanz-trophy.ch


Zug.Run

Das Ziel von Zug.Run ist es, allen Menschen den Zugang zu unbekannten Wegen zu erleichtern und sie zu inspirieren, die Natur im Kanton Zug auf aktive Art und Weise zu entdecken. Denn: Laufen ermöglicht uns, aus unserem städtischen Leben auszubrechen und unsere geistige und körperliche Gesundheit zu verbessern. Laufen vermittelt und das Gefühl der absoluten Freiheit. zug.run


Alles am Stück

Wer geübt ist und die Strecke am Stück laufen möchte, steigt in Risch aufs Boot und lässt sich bis Walchwil chauffieren: An den Sonn- und Feiertagen der Hauptsaison (Mitte Mai bis Mitte September) verkehrt jeweils eine Nachmittagsverbindung mit Umstieg in Immensee. zugersee-schifffahrt.ch


Luft holen im Kloster Kappel

Eine Verschnaufpause in der Klosteranlage schenkt wahrlich Zeit zum Durchatmen: Sie ist ein Ort, der zur Ruhe kommen lässt. Bis in den Herbst finden öffentliche Führungen durch die Klostergärten statt: 21. September, 5./19. Oktober 2021, dienstags um 13:30 Uhr, ohne Anmeldung und kostenlos. klosterkappel.ch