Natur- und Tierpark Goldau: Der Frühling des Lebens

Fotos: Jason Horton

Goldau | Ein weitläufiger wilder Park mit heimischen Tieren; das Lachen von Kindern, die an jeder Ecke etwas zum Klettern finden. Und mit jedem haushohen Felsbrocken die Erinnerung: diese heile Welt markiert jene Stelle, an der sich einst eine entsetzliche Naturkatastrophe ereignete. Der Natur- und Tierpark Goldau ist ein Ort der Wiedergeburt, dessen Faszination wohl zu keiner Jahreszeit grösser ist, als im Frühling, wenn er voll neuem Leben erwacht.

Jeder Schweizer kennt sie: Die Geschichte der grössten historischen Naturkatastrophe des Landes. Am 2. September 1806 lösten heftige Regenfälle auf der Südseite des Rossbergs über dem Dorf Goldau einen gewaltigen Bergsturz aus. In wenigen Minuten donnerten 120 Millionen Tonnen Fels und Stein ins Tal, begruben die Dörfer Goldau, Buosingen, Röthen sowie Teile von Lauerz und verursachten am nahe gelegenen Lauerzersee eine 20 m hohe Flutwelle. Die Bilanz war katastrophal. 457 Menschen verloren ihr Leben.Die Schuttmassen bedecken über 25 Millionen Quadratmeter Gelände; stellenweise über 30 Meter hoch.

Die Solidarität war gross und reichte weit über die Landesgrenzen hinaus. Der Goldauer Bergsturz gilt als Geburtsstunde der ersten schweizerischen Spendensammlung. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Ortschaft Goldau auf dem Schuttkegel wieder neu aufgebaut. Aus Respekt gegenüber den Toten, aus Aberglauben und aufgrund seiner Unzugänglichkeit überliess man jedoch das restliche Bergsturzgebiet der Natur. Und wie es ist, wenn sie der Mensch ungestört walten lässt, eroberte die Natur das Land Stück für Stück zurück. Nach und nach entstand die einzigartige Naturkulisse, die heute im Natur- und Tierpark Goldau über 100 Wildtierarten ein Zuhause bietet. 1925 wurde der Natur- und Tierparkverein Goldau gegründet.

Verwurzelte Waldwege schlängeln sich durch das mittlerweile 42 Hektar grosse Gelände, vorbei an den für Bergsturzgebiete typischen Mulden, Gesteinstrümmern und kleinen Teichen. Besucher können in der Freilaufzone Sikahirsche sowie Mufflons (Wildschafe) füttern und hautnah mit ihnen in Kontakt treten. Auch gibt es geräumige Anlagen für gefährdete einheimische wie europäische Tierarten, darunter Bären, Wölfe, Wisente, Otter, Schwarze Alpenschweine, Wildkatzen, Luchse und Bartgeier. Ausgewählte Anlagen kann man im Zuge von kommentierten Tierfütterungen auf einzigartige Weise erleben.

Gemeinsam mit meinem vierjährigen Sohn und seiner Grossmutter besuchte ich an einem schönen Frühlingstag den Natur- und Tierpark Goldau. Und ich kann ehrlich sagen, dass kein anderer Ort der Welt unserer individuellen Faszination besser hätte gerecht werden können, als dieser. Ich liebe schaurige, regionale Geschichten; Evan hat eine Leidenschaft für das Klettern auf jeglichen natürlichen oder künstlichen Objekten und Grossmami Helens Herz schlägt für die Natur und Wildnis. Auch konnte keiner von uns den herzigen Jungtieren widerstehen, von denen diesen Frühling schon die ersten das Licht der Welt erblickt hatten.

Im Laufe des Tages kamen wir alle voll auf unsere Kosten. Evan rannte, kletterte und hüpfte von Tier zu Tier und von Spielplatz zu Spielplatz. Er steichelte begeistert die Baby-Ziegen, hielt nach dem Bartgeier-Küken Ausschau, inspizierte fasziniert die neue Fuchs-Ausstellung und liess der Fantasie ihren freien Lauf, als die noch schläfrigen Bären zu wenig Unterhaltung boten. Er wurde selbst ein Bär und brummte laut aus dem riesigen Klettergerüst vor dem Restaurant. Helen wiederum erfreute sich daran, ihren Enkel auf allerlei interessante Frühlingsblumen, Bäume und Felsformationen aufmerksam zu machen. Meine Gedanken gehörten indessen der Geschichte dieses einzigartigen Ortes, dessen Vermächtnis überall sichtbar und spürbar war.

Natürlich ist jede Jahreszeit geeignet, um diesen faszinierenden Park zu besuchen ob Sie nun mein Interesse an Schauergeschichten teilen oder nicht. Der Frühling, die Zeit des Neuanfangs, scheint mir jedoch die wohl allerbeste Zeit für einen Ort wie diesen zu sein, der selbst wie ein Phönix aus der Asche gestiegen ist.

Spot Tipps

Kommentierte Fütterungen finden täglich je nach Wetter und Jahreszeit statt und werden an den Infotafeln beim Eingang vermerkt.

Es stehen zahlreiche Ausstellungen zur Auswahl, wie zum Beispiel bei der Bartgeier-Anlage. Neu erfährt man bei der Fuchs-Anlage Spannendes über das Zusammenleben von Fuchs und Mensch.

Praktisches

Natur- und Tierpark Goldau

Parkstrasse 40

6410 Goldau

+41 (0)41 859 06 06

tierpark.ch