Kinderregion: Zeit für die Muse

Fotos: Carina Scheuringer

Zürich | So macht Lernen Spass! Die Zürcher Kunstmuseen sind ideale Orte, um die Neugier und Kreativität von kleinen und grossen Künstlern zu fördern. Die Familie Geiger berichtet aus erster Hand.

«Auf Kunst muss man sich einlassen. Man muss loslassen, damit sich die eigene Kreativität entfalten kann.» Dani Geiger spricht aus Erfahrung. Fasziniert beobachtet er die Gruppe Kinder, seine drei inkludiert, die soeben durch das Musée Visionnaire streift. Die Jüngsten zeigen keinerlei Hemmungen. Sie machen die Übungen, die ihnen Kunstvermittlerin Michèle aufträgt einfach aus dem Bauch heraus. Anders die Teenager. Ausserhalb ihrer Komfortzone und ohne genaue Instruktionen sind sie verunsichert; haben Angst, sich Blösse zu geben. Als sie im Zuge einer Schnellzeichenübung unsinnige Wortkombinationen wie ein «veganes Luftschiff» und ein «Flugzeug Mami» zu Papier bringen sollen, blicken sie anfänglich etwas ratlos von einem zum anderen.

«Wir machen diese Art von Übung gerne», verrät die künstlerische Leiterin des Musée Visionnaires Manuela Hitz. «Wenn man nur wenige Sekunden Zeit hat, etwas darzustellen, das es gar nicht gibt, wird das Zeichnen intuitiv. Man muss anstatt zu denken einfach loslegen und löst sich damit von gängigen Normen.» Das passt zu den Künstlern, die im kleinen aber feinen Privatmuseum am Predigerplatz präsentiert werden. Als «Outsider» bewegen sie sich fernab des Mainstreams; sind frei von Konventionen und unbeeinflusst von kunsttheoretischen und kommerziellen Ansprüchen. In den Workshops werden ihre Arbeiten greifbar und erlebbar. Kinder und Jugendliche tauchen spielend und forschend in ihre Welt ein, lernen Künstler teils sogar persönlich kennen und werden mit unterschiedlichen Materialien selbst aktiv. Inspiriert von Julia Krause-Harder lassen sie am heutigen Tag zum Beispiel Dinosaurier mit Alltagsgegenständen neu aufleben oder beginnen, wie Kaugummi-Künstler Ben Wilson, «im Kleinen ganz Grosses anzustreben oder zumindest davon zu träumen.»

Während die Kinder beschäftigt sind, können die Eltern, wie Dani und Marie Geiger, ganz ungestört die Ausstellung besuchen und in die spezielle Atmosphäre des Musée Visionnaires eintauchen, das vom renommierten Architektenpaar Trix und Robert Haussmann als Rundgang über drei Etagen konzipiert wurde. Auch Erwachsenenworkshops und Führungen stehen zur Auswahl jeweils abgestimmt auf das aktuelle Ausstellungsthema.

Ab 11. März lautet dieses «Faxen Flausen Firlefanz.» Ausgehend vom Aussenseiterleben und dem ungewöhnlichen Werdegang von Charles Adrien, bekannt als Clown Grock, reisen Besucher in «eine bizarre Welt zwischen dem Zauber des Zirzensischen und dem Ambivalenten des Grotesken, zwischen Staunen und Irritation, Bewunderung und Beklemmung». Grundsatzfragen des menschlichen Lebens werden gestellt: Was bringt uns zum Lachen? Welche Faxen, Flausen oder zweite Gesichter haben wir selbst? Sie regen zum Nachdenken an und eigenen sich perfekt für eine neue Auseinandersetzung mit sich selbst und der eigenen Kreativität. Mit dem Fokus auf die Kunstvermittlung ist das Musée Visionnaire in Zürich natürlich nicht allein. Auch im Kunsthaus Zürich, ab 2020 das grösste Kunstmuseum der Schweiz, wird nicht nur gesammelt, konserviert und ausgestellt, sondern auch neugestaltet und kreiert. Workshops, Führungen, Ateliers und Clubs laden Kinder, Jugendliche und Erwachsene ein, ihre künstlerische Ader zu erforschen und auszuleben. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der direkten Auseinandersetzung mit den Kunstwerken und Ausstellungen vor Ort. Diese liefern sowohl Inspiration als auch die Themen der aktuellen Angebote.

Heute stehen im «Kunstlabor für alle» Portraits auf dem Programm. Um sich einzustimmen, erkundet Familie Geiger zuerst die Schätze des Museums. Zu sehen gibt es viel! Mit seinen rund 4500 Gemälden und Skulpturen und den 95000 grafischen Werken aus dem 13. Jahrhundert bis in die Gegenwart beherbergt das Kunsthaus Zürich eine der bedeutendsten Kunstsammlungen der Schweiz. Etwa zehn Prozent des Bestandes sind dauerhaft ausgestellt. Höhepunkte bilden unter anderem die grösste MunchSammlung ausserhalb Norwegens, die umfangreichste Werksammlung Alberto Giacomettis und herausragende Gemälde des Impressionismus und der Klassischen Moderne von Picasso, Monet und Chagall bis hin zu Beckmann, Kokoschka und Corinth. Jessica (15), Jay (13) und Jodie (10) laufen staunend von einem Raum zum nächsten, bevor sie schliesslich bei den Impressionisten innehalten. Einige der Namen sind ihnen aus der Schule bekannt. Fasziniert studieren sie die Originale nun aus nächster Nähe.

Als sie später im Atelier eintreffen und mit Kunstvermittlerin Eveline Schüep von Station zu Station schreiten, haben sie den Kopf voller Ideen. Jodie will mit Papa Dani ein Portrait im Profil umsetzen und dann aus einem Alltagsgegenstand eine Skulptur mit Gesichtszügen kreieren. Jessica und Mama Marie reizt hingegen die Herausforderung eines Selbstportraits, während Jay eine abstrakte Maske gestalten will. Auf den liebevoll angeordneten Tischen finden sie alles, um ihre persönlichen Projekte umzusetzen. «Für uns ist es wichtig, dass jeder in der Gestaltung frei und uneingeschränkt ist. Man kann sich von der Muse küssen lassen, anstatt einem bestimmten Ziel entgegenzuarbeiten», erklärt Schüep. Das Konzept geht auf die Geiger-Kids tun genau das, was sich Papa Dani vom heutigen Tag gewünscht hat: Sie lassen los und werden einfach kreativ. Ans Smartphone denken sie bis zum Abend nicht.

Paktisches

Musée Visionnaire

Predigerplatz 10

8001 Zürich

+41 (0)44 251 66 57

museevisionnaire.ch


Kunsthaus Zürich

Heimplatz 1

8001 Zürich

+41 (0)44 253 84 84

kunsthaus.ch


Tourist Information

im Hauptbahnhof

+41 (0)44 215 40 00

zuerich.com


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kinderregion.ch/kunstmuseen

Erlebnisse für Familien

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