
Schneeschuhwanderung Hoher Kasten: Auf stillen Pfaden
Brülisau | Am Fusse des Hohen Kasten finden Schneeschuhwanderer Ruhe abseits der Pistenhektik und stapfen auf leisen Sohlen durch tief verschneite und abwechslungsreiche Landschaften. Andy und Carina berichten aus erster Hand.
Nebel zieht in mystischen Schwaden über Hügel und Täler; lässt die Konturen zwischen Himmel und Erde verschwimmen. An den steilen Hängen des Hohen Kasten bleibt er hängen. Einzig der Sendeturm der Swisscom ragt für einen Moment aus dem Nichts, so, als würde er zwischen den Welten schweben. Dann wird auch er vom Nebel verschluckt.
Unten am Fusse des 1794 Meter hohen Berges, der den nordöstlichen Abschluss des Alpsteins bildet, wirbeln Schneeflocken von weissen Wechten. Kein typisches Wanderwetter, doch wir zurren unbeirrt die Rucksäcke fest und stapfen los. Im Nebel gehört uns der Weg allein. Immer wieder offenbaren Nebellücken Fenster in stimmungsvolle Welten.
Von der Talstation der Seilbahn Hoher Kasten in Brülisau, führt eine gespurte Fahrstrasse in rund zwanzig Minuten zur Alp Sigelbahn im Pfannenstiel, vorbei an traditionellen Appenzellerhäusern mit ihren typischen vertäferten Fassaden. Jetzt im Winter ist die Seilbahn auf die Alp Sigel, die im Sommer, die im Sommer Älpler und Wanderer auf den Grat zwischen Wasserauen und dem Sämtisersee trägt, nicht in Betrieb. Trotzdem ist der Parkplatz perfekt geräumt. Neben Brülisau stellt er einen beliebten Ausgangspunkt für die Schneeschuhrundwanderung über Plattenbödeli und Ruhesitz dar, die heute auch auf unserem Programm steht.
Wege in andere Welten
Beim Wegweiser satteln wir um, steigen in die Riemenbindung unserer Schneeschuhe und schnüren sie an den Winterstiefeln fest. Knietief sind die Fussspuren einer Handvoll Vorgänger, die hinein in den Wald und zum steilen, wildromantischen Brüeltobel führen. Einst sollen Wildmannli in dieser bezaubernden Welt gehaust haben, so wie vielerorts am Alpstein. In Nebelgestalten werden die guten Heinzelmännchen nun wieder lebendig, schleichen über grosse Felsbrocken und hängen an den Stämmen schneebeladener Tannen.
Je dichter der Nebel, desto mehr schärfen sich unsere Sinne. Schnee rieselt mal rechts, mal links von dünnen Ästen; leise gurgelt der Bach in der Tiefe. Die Luft ist kühl und frisch, durchströmt unsere Lungen mit dem harzigen Duft nasser Nadeln. Wir atmen tief durch, halten einen Augenblick inne, bevor wir unseren Marsch im immer steiler werdenden Terrain fortsetzen. Ganz schön anstrengend dieses Bergaufgehen im weichen Schnee. Doch es lohnt sich! Nach einer letzten Kurve wird der Weg flacher; der Nebel lichter.
Umgeben von Tannenwäldern und der weissen Ebene des völlig zugeschneiten Sämtisersees liegt nun das Berggasthaus Plattenbödeli der Gastgeberfamilie Inauen vor uns, warm und einladend inmitten der gefrorenen Landschaft. Wir überlegen nicht lange und lassen uns vom Versprechen Appenzeller Spezialitäten und weitum bekannter Rösti-Variationen in die rustikale Stube locken. Innen rahmen grosse Panoramafenster die umgebende Naturkulisse wie kunstvolle Bilder. Aus der Küche strömt ein verführerisch süsser Duft Ritas Schoggi-Whisky-Kuchen mit «Plattenbödeli-Whisky» aus dem Moscatel-Fass. Wir merken uns vor, zur Nachspeise eine Portion zu bestellen.
Während unsere Plattenbödeli-Rösti brutzeln, studieren wir die weitere Route. Nach dem starken Schneefall der letzten Tage herrscht momentan in vielen Teilen der Alpen eine erhöhte Lawinengefahr. Hatten wir heute Morgen an der Talstation der Seilbahn die aktuelle Situation vor Ort bereits überprüft, so ist jetzt ein erneuter kurzer Check erforderlich, zumal die folgenden Teile unserer Wanderung teilweise exponiert sind.
Entdeckungen am Wegrand
Der Bericht gibt Entwarnung und so schlüpfen wir nach der ausgiebigen Stärkung wieder in unsere Schneeschuhe und marschieren voller Tatendrang los. Doch weit kommen wir nicht. Rechts des Weges liegt die hübsche Kapelle «Maria Heimsuchung.» Jetzt im Winter zwar geschlossen, können wir uns eine kleine Abzweigung zum denkmalgeschützten Holzbau nicht verkneifen. Das Haus wurde 1939 errichtet, um Sennen während der Alpzeit zu ermöglichen, den sonntäglichen Gottesdienst zu besuchen. Bis heute finden hier von Anfang Juni bis Ende August Messen statt. Nun aber schlummert die Kapelle verträumt unter ihrer weissen Decke.
Zurück am Weg umhüllt uns erneut dichter Nebel. Wir ziehen unsere Mützen tiefer ins Gesicht und folgen den ausgesteckten pinken Stangen in leichtem Auf und Ab in Richtung Brüllenstein, Steig und Hüttenbüel, vorbei am Sämtisersee, der irgendwo unter uns im Verborgenen liegt. Bei der Alp Soll erhaschen wir neugierig einen Blick durchs Fenster. Im Sommer wird hier täglich nach alter Tradition gekäsert und ein währschaftes «Zmorge» serviert. Auch Übernachtungsmöglichkeiten stehen zur Verfügung.
Während wir uns eine Notiz für die nächste Saison machen, verzieht sich mit einem Mal der Nebel und die darüberliegenden Wolken geben zum ersten Mal an diesem Tag den Blick auf den Gipfel des Hohen Kasten frei. Aufgeregt stapfen wir zur nächsten Lichtung und starren gebannt zunächst nach oben und dann nach unten. Der imposante Aussichtsberg mit seinem fantastischen 360 Grad-Ausblick macht seinem Namen «de Chaschte» alle Ehre. Mit breiten Schultern thront «die Rigi der Ostschweiz» an der Kantonsgrenze zwischen St. Gallen und dem Appenzellerland über einer verträumten winterlichen Welt, die ihm wie eine Modelleisenbahnlandschaft zu Füssen liegt. Schmucke Bauernhäuser ruhen im Tal auf sanft gewellten Hügeln. Eines hier, eines da, als seien sie wie es die Legende erzählt willkürlich aus dem grossen Sack eines Riesen gepurzelt.
So plötzlich er auch kam, ist der auch Zauber wieder vorbei. Erneut im dichtem Nebel, mieten wir beim Berggasthaus Ruhesitz zwei Schlitten und rauschen damit zurück ins Tal. In Brülisau folgt noch ein kurzer Halt bei der Talstation der Seilbahn Hoher Kasten, wo wir Ideen für den nächsten Besuch sammeln. Die heutige Tour macht Lust nach mehr!
Praktisches
Schneeschuhrundwanderung: Brülisau Plattenbödeli Ruhesitz Brülisau (Option: Schlittenfahrt am Ende)
Länge: 8.7 km (rund 4 Stunden Wanderzeit)Höhenmeter: +/- 488 m Kondition: mittel
Hoher Kasten
Drehrestaurant und Seilbahn AG
Dorf 22, 9058 Brülisau (AI)
+41 (0)71 799 13 22
Spot Tipps
Gipfelerlebnis
Der nordöstlichste Berggipfel der Schweiz ist im Winter nur mit der Seilbahn ab Brülisau zu erreichen. Oben erwartet Besucher eine grandiose, ungehinderte «rondom»-Sicht vom Bodensee über das Rheintal und das Appenzellerland bis zu den Schweiz Alpen und dem Jura. Ist es zu kalt, um länger am Europa-Rundweg zu verweilen, so lockt das mit dem «Best-of-Swiss Gastro Award» ausgezeichnete Drehrestaurant mit hervorragender Küche, herzlichem Service und kreativen kulinarischen Events.
Leermond-Raclette
Geniessen Sie die einzigartige Möglichkeit, bei Leermond auf dem Hohen Kasten einen gemütlichen Abend zu verbringen. Aufgetischt wird der vermeintlich würzigste Raclette der Schweiz Appenzeller Raclette und anschliessend eine winterlicher Dessert-Variation. Reservation erforderlich.