
Cool bleiben: Vom Walensee nach Baden auf dem Wasserweg
Walensee-Baden | Schon zu Zwinglis Zeiten wusste man: Wer das Leben geniessen will, fährt nach Baden. Musste man sich in der Zwinglistadt nämlich im Verzicht üben und aufs Arbeiten und Beten konzentrieren, so durfte man in der katholischen Schwesternstadt den schönsten Seiten des Lebens frönen. Heute ist das Tanzen, Baden und Feiern natürlich auch in Zürich nicht mehr verboten. Dass sich eine Badenfahrt dennoch lohnt, können wir aus erster Hand bezeugen!
#nofilter #nophotoshop sind die Hashtags unserer Reise. Auf der Land-Wasserfahrt von Walensee nach Baden muss man nicht künstlich nachhelfen. Die Sonne hat ihren Strahlenfächer ausgeklappt; funkelt wie eine Goldscheibe im blitzblauen Himmel. Die Vögel zwischern. Das Wasser glitzert. Wir müssen nichts tun, ausser uns zurückzulehnen und von der Strömung treiben zu lassen. Der #purebliss Moment kommt ganz von selbst. Heute ist einer jener Tage, für den der Schweizer Sommer gemacht zu sein scheint.
Während andere im Wochenendverkehr zwischen Zürich und Walensee Schlange stehen, ist unser Linthkanal der Reiseweg der Glücklichen. Die Gesellschaft ist kunterbunt. Zwischen dottergelben Riesenenten und aufblasbaren Einhörnern sind wir auf einem roten Gummiboot und einem aufblasbaren Kanu unterwegs: Zwei Kapitäne und insgesamt vier Matrosen. Alle in einer Uniform aus roten Schwimmwesten, die wir noch über T-Shirts tragen, bis uns das kühle Nass zur Abkühlung lockt. Dann treiben wir, einer nach dem anderen, ein Stück im klaren Wasser mit, auf dem Rücken liegend und die Arme und Beine wie ein Krake ausgestreckt, umfangen vom rhythmischen Soundtrack der Linth.
Stille Wasser
Die Linth ist der Quellfluss der Limmat und der grösste Zufluss des Zürichsees. Tief im Inneren des Tödimassivs entsprungen und durch enge Schluchten gedrückt, schlängelt sich die Lebensader durch das Glarnerland und sorgt mit Wasser-, beziehungsweise Flusskraftwerken bis heute für erneuerbare Energie. Ihr Stellenwert ist gross. Die Linth hat in der Geschichte einen wichtigen Beitrag zur Industrialisierung und zum Aufschwung der Region geleistet. Gleichzeitig war sie aber auch des Öfteren ein sehr unangenehmer Zeitgenosse. Immer wieder brach sie ungestüm aus ihrem Uferbett und überflutete die Ebene, die ihren Namen trägt, mit zerstörerischer Kraft.
Anfang des 19. Jahrhunderts hatten die Menschen genug von den Launen der Linth. Hans Conrad Escher errichtete zur «Korrektur» des Flusses zwei Kanäle, in denen sich das unbändige Wasser fortan bewegen musste und es auch grösstenteils tat den Escherkanal, der den Fluss bis heute in den Walensee umleitet und den Linthkanal, welcher die Linth danach, gleich einem Laufband, von Weesen nach Schmerikon führt. Bis heute ist der Eingriff in die Natur signifikant. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten haben Flussausweitungen und Ufer-Renaturierungen der Linth ein Stück ihrer Ursprünglichkeit zurückgegeben. Mit grosser Freude nehmen wir Notiz von den Riedflächen, Blumenwiesen und Waldreservaten am Ende des bis dahin industriell geprägten und von hohen Strommasten überragten Wasserweges.
Erlebnis mit Tiefgang
Vom Menschen geprägt, bietet der Linthkanal für alle etwas Familien, Freunde und Kollegen. Eine Gruppe pinker Flamingos mit partyfreudigen Jungs schippert mit fröhlichem Sound an uns vorbei. Sie winken dem Grossvater zu, der am Uferrand mit seinem kleinen Enkelkind Cervelats brutzelt. Besonders jetzt zur Mittagszeit steigen an zahlreichen Grillstellen Rauchwölkchen empor. Der Duft des Sommers liegt in der Luft. Wir begnügen uns mit einem Snack, plaudern zwanglos vor uns hin und lassen uns treiben. Nach der einzigen Stromschnelle bei Ziegelbrücke ist es nun eine vollends gemütliche Flusspartie und für mich der perfekte Einstieg in meine Badenfahrt.
In Schmerikon bringen wir unser Schlauchboot und das aufblasbare Kanu später zurück ins Hauptgeschäft von «Kuster Sport» und leihen uns stattdessen zwei Kanadier und ein Einmann-Kajak aus. Während der Sommermonate betreibt das beliebte Sportgeschäft eine Mietstation direkt am Hafen, die bei schönem Wetter jeweils an den Wochenenden geöffnet ist (und in den Sommerferien Mittwoch bis Sonntag). Ohne Eigenmaterial kann man so auch spontan die grüne Bucht des Seedorfes erkunden.
Am späten Nachmittag ist für meine Begleiter, Familie Geiger, nach eben einer solch Tour auf die Inseln und das Naturschutzgebiet um das Aabach Delta, für heute Endstation. Während sie nach einer grossen Portion Fischknusperli die Heimreise antreten, paddle ich alleine weiter bis nach Rapperswil. Auf der Lützelau habe ich für die Nacht ein lauschiges Plätzchen unter den Sternen reserviert.
Geheimnisse des Zürichsees
Die Lützelau ist Geheimtipp und Unikat zugleich; eine kleine Insel, auf der auf Schwyzer Boden inmitten des Zürichsees die Rapperswiler Fahne weht. Wie ihre grosse Schwester, die Ufnau, wurde auch die Lützelau vor rund 10000 Jahren vom Linthgletscher geschliffen, der einst das ganze Seebecken bedeckte. Heute beherbergt sie nicht nur ein Naturschutzgebiet, sondern auch einen naturnahen Campingplatz mit kleinem Restaurant.
Inselwart Joe Kunz, ein ehemaliger Oberstufenlehrer, übernahm vor einigen Jahren das Zepter, nachdem er in einer Annonce auf diesen ungewöhnlichen Arbeitsplatz aufmerksam geworden war. Seither weht auf der Lützelau ein neuer, frischer Wind. Zum Beispiel finden an wettergünstigen Donnerstagen im Juli und August die sogenannten «Lütz-Konzerte» akustischer Bands statt. Ein Highlight in der Region und nicht nur für Wasserratten zugänglich. Wer die An- oder Abreise nicht per Pedalo oder Kajak absolvieren möchte, den chauffiert Joe höchstpersönlich mit seinem «Lütz-Shuttle» von und nach Rapperswil. Dankbar steige auch ich früh am nächsten Morgen zu ihm ins Boot und fahre zurück in die Zivilisation, wo mein Kursschiff am Fusse des Schlosshügels schon im Hafen liegt.
Schiff ahoi!
Die Schifffahrt auf dem Zürichsee blickt auf eine mehr als 2'000 Jahre alte Tradition zurück. Drehte sich einst alles um den Transport von Gütern, so ist heute eine Reise auf dem fünftgrössten See der Schweiz ein vielfältiges Erlebnis. Neben klassischen Kurssschiffen stehen zahlreiche Sonderschiffe zur Auswahl, darunter das «Stubete-Schiff», das «Beer & Dine-Schiff», das «KrimiSchiff», das «Silent Party-Schiff» oder mein persönlicher Favorit: Das Frühstücks-Schiff mit dem «Langschläfer-Zmorge.»
In jedem Fall ist die Aussicht ein absolutes Highlight! Frühmorgens liegt der Zürichsee so spiegelglatt dar, dass die Konturen verschwimmen und kaum noch erkennbar ist, wo der See endet und der Himmel beginnt. Mit einem Mal sind die Zivilisation und die Hektik des Alltages gefühlte Meilen entfernt. Die Reise nach Zürich, mit Gipfeli in der einen und Kaffee in der anderen Hand, ist wie ein Stück Ferien.
Das Leben in der Balance
Beim Badi Mythenquai und dessen 200 Meter langen Sandstrand treffe ich meine Freundin Mags anschliessend zu einem SUP-Erlebnis der besonderen Art. Evelyne Besser von «CITYPILATES» zeigt uns, wie wir unser Board in eine schwimmende Pilatesmatte verwandeln und mit gezielten Übungen die Beweglichkeit und die Kraft aus unserer Körpermitte aufbauen können. Eine viel weniger wackelige Angelegenheit, als anfänglich gedacht!
Gerne würden Mags und ich danach noch im «Hiltl am Strand» verweilen, doch die Zeit reicht nur für ein schnelles Take-Away. Mit dem nächsten Kursschiff geht es nun nach Wollishofen, um mit dem Limmatboot mitten in die Zürcher Altstadt zu fahren. Die kleine Rundfahrt mit «Felix», nach einem der beiden Stadtheiligen benannt, stellt altbekannte Sehenswürdigkeiten, wie Grossmünster, Rathaus und Lindenhof» in einer völlig neuen Perspektive dar.
Beim Landesmuseum gehen wir wieder an Land. An der «Chuchi am See» gönnen wir uns einen schnellen hausgemachten Eistee und stossen hierbei zufällig auf den «Limmat-Gummiboot-Guide» des Vereins «Regionale Projektschau Limmattal.» Dieser soll sommerlichen Süsswasserkapitänen, wie uns, die Fahrt durchs Limmattal mit Informationen zu Sehenswürdigkeiten versüssen und gleichzeitig wichtige Informationen liefern.
Knallrotes Gummiboot
Das «Böötle» zwischen Wipkinger Park und Nötzliwiese beim Bahnhof Dietikon ist längst kein Geheimtipp mehr. Unglaublich, was da so alles daher schwimmt von Schildkröten über Donuts bis hin zu Pizzastücken! Da sind wir mit unserer Ente und dem Rucksack-Kajak ja schon fast bieder unterwegs! Doch die Popularität der Limat überrascht nicht. Welch bessere Entschleunigung für überlastete Städter gibt es, als sich einfach «treiben zu lassen» und das nicht nur im metaphorischen Sinne?
Wenn nicht nur der Stresspegel, sondern auch der Betondschungel langsam auf Grün wechselt, ist die perfekte Stelle für die erste Pause nicht mehr weit. Gleich nach der Höngger Wehr, die auf dem Landweg umgangen werden muss, befindet sich die Werdinsel mit den ersten naturnah gestalteten Uferabschnitten der Limmat. Hier gibt es ein Restaurant, Toiletten-Anlagen und viele tolle Plätzchen zum Baden und zum Verweilen. Später, nach dem Gaswerkareal Schlieren, lässt man die Mühliwehr links liegen und passiert das Restaurant Klosters Fahr. Wer lieber hier aussteigen möchte, kann mit etwas Geschick an der Grasböschung anlegen. Danach geht's vorbei am Industriequartier Schlieren bis nach Dietikon, wo die Reise auf der Nötzliwiese vor der nächsten grossen Wehr endet. Ab da führt ein Wanderweg das Ufer entlang bis in den Kurort Baden.
Nach zwei Tagen ist der Entspannungsfaktor so gross, als wäre ich schon eine Woche unterwegs. Keine traditionelle Badenfahrt vielleicht, aber dennoch eine unvergessliche und gleichsam erholsame, die ich allen ans Herz legen kann!
Praktisches
Rapperswil Zürichsee Tourismus
Tourist Info, Fischmarktpl. 1
8640 Rapperswil-Jona
(0)55 225 77 00
Weitere Links
Kuster Sport in Schmerikon
(0)55 286 13 73
kustersport.ch und kanusport.ch
Zürichsee Schifffahrtsgesellschaft und Limmat-Schifffahrt
(0)44 487 13 33, zsg.ch
SUP Pilates (CITYPILATES)
+41 (0)44 558 24 54, citypilates.ch