
Bike-Packing: Abenteuer Freiberge
Wer Abenteuer sucht, muss nicht das Land verlassen. Bei einer Velotour durch die Freiberge im Jura begegnet man nicht nur unberührter Natur, sondern muss einige Herausforderungen meistern besonders, wenn man kein erfahrender Biker und Camper ist. Doch mit professioneller Unterstützung, guter Vorbereitung und der richtigen Ausrüstung wird diese Art der Unternehmung ein unvergessliches Erlebnis!
«Mmmh, schmeckt besser als bei Oma», sagt mein Neffe und strahlt. Hungrig sitzen wir nebeneinander vor unserem Zelt und löffeln Penne mit Tomatensosse, die ich mit Salami aufgepeppt habe. In einem kleinen Topf köchelt Wasser für den Tee. Die untergehende Sonne malt rosa und lila Streifen in den Himmel. Der Wind bringt die Baumwipfel zum Schwingen und die fünf Kühe auf dem Hügel nebenan sind nur noch als dunkle Silhouetten erkennbar. Ein fantastischer Sternenhimmel kündigt sich an. Aber uns fallen bald vor Erschöpfung die Augen zu, denn der Tag verlangte uns einiges ab.
Die Idee einer dreitägigen gemütlichen Velotour durch die Freiberge hatte uns fasziniert und die Unternehmung schien uns ein Leichtes. Wir bestellten Fahrradpacktaschen im Internet, liehen uns eine Campingausrüstung aus und reservierten Bikes zum Mieten. Die Route sollte uns von La Chaux-de-Fonds via Saignelégier in den Freibergen bis nach St. Ursanne führen.
Froh darüber, dass wir die ganze Ausrüstung gut im Sattelpack und der Lenkertasche untergebracht hatten und sich alles gut am Velo befestigen liess, fuhren wir in bester Laune los. Der ersten Etappe mit rund 29 km sahen wir entspannt entgegen. Schon nach ein paar hundert Metern, die leicht bergauf gingen, liess uns jedoch ein schleifendes Geräusch aufhorchen. «So ein Mist», entfuhr es mir, als ich das Malheur sah die Sattelpacks rieben an den Reifen unserer «FullyBikes.» Wir lösten das Problem mit Improvisation und befestigten die Taschen an der Mittelstange. Dort wackelten sie zwar ein wenig hin und her und zwangen uns breitbeinig zu fahren, doch wir konnten unsere Tour fortsetzen und die Landschaft belohnte es mit ihren malerischen, ausgedehnten Wiesen und Weiden, den abgelegenen Höfen und romantischen Wäldern.
«Ja, ja, da links...», ruft der Bauer winkend, als wir vor seinem Hof nach der Fortsetzung unserer Mountainbikeroute suchen. Über eine abschüssige Wiese führt ein schmaler Weg in den Wald. Ab hier gehts ziemlich steil bergab. Wir stoppen, schauen uns an und schütteln den Kopf. Eine Downhillstrecke wie diese lässt viele Bikerherzen höher schlagen, doch mit unseren bepackten Velos kommt dies einer Selbstüberschätzung gleich! Also schieben wir zur Sicherheit! Dank E-Motor schaffen wir den Anstieg danach aber wieder geschmeidig. Nach drei Kuhweiden sind wir in den Freibergen und erreichen bald die Pferdepension «Le Roselet» ein weitläufiges Altersheim für Pferde und Esel. Auf dem einladenden Picknickplatz daneben machen wir Mittagspause und köcheln uns ein Süppchen. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir allerdings noch nicht, dass wir dafür einen Morgen später auf den ersehnten Kaffee verzichten werden müssen. Ich stelle nämlich den Kocher auf den Tisch in den Wind, benutze keinen Deckel und wundere mich, dass es ziemlich lange dauert, bis die ersehnte Mahlzeit erhitzt ist. Doch ich sorge mich nicht, denn im Internet hatte ich gelesen, dass sich mit der kleinen Gaskartusche mehrere Stunden kochen lässt.
Am Nachmittag passieren wir den Etang de la Gruère. Zwischen sattgrünen Augen und dichten Nadelbäumen fesselt der, mit spiegelglatter Oberfläche wie verwunschen daliegende See unsere Blicke. Hier geniessen wir eine Pause, bevor wir das letzte Wegstück für diesen Tag absolvieren und bei Familie Sprunger nur wenige Kilometer vor den Toren von Saignelégier eintreffen. Wir werden schon erwartet. Ernest Sprunger ist Bauer und Pferdezüchter aus Leidenschaft und betreibt den Hof mit seiner Frau und dem 25-jährigen Sohn Loïc. Seine dreissig Milchkühe, die draussen auf der Weide stehen, liefern die Milch für Gruyère, den typischen Käse der Region. Stolz macht er uns bei einer Hofführung mit seinen gepflegten «Füchsen» bekannt, wie die Freiberger Pferde mit dem hellen Fell genannt werden. Auf seinem Grundstück am Waldrand dürfen wir das Zelt aufbauen und übernachten.
Weil ich auch beim abendlichen Pastakochen weder auf Wind noch Topfdeckel geachtet hatte, macht die Gaskartusche am nächsten Morgen schlapp. Also radeln wir ohne Kaffee los und beschliessen in Saignelégier einzukehren und dort bei «Rent A Bike» die Räder einzutauschen, um unser Gepäckproblem zu lösen. Da Mieträder zu dieser Jahreszeit gut gebucht sind, ist die Auswahl ohne Reservation an diesem Tag gering. Die Tourenbikes sind für unser Gepäck auch nicht ideal. Doch die Lenkertaschen lassen sich gut montieren. Der Rest kommt auf den Gepäckträger.
Wir entscheiden die Mountainbikeroute zu verlassen und der Juraroute Nr. 7 zu folgen. Sie führt uns durch eine sanfte, weitläufige und wenig besiedelte Hügellandschaft. Wälder, Wiesen und Weiden wechseln einander ab. Hinter jeder Biegung eröffnet sich ein neues Panorama, das den Blick in die Ferne schweifen lässt. Friedlich grasende Pferdeherden beäugen uns neugierig beim Vorbeifahren.
«St. Ursanne 3 Kilometer», steht auf einem Schild. «Was, schon so nah?», schiesst es mir durch den Kopf. Die wenig beschwerliche Route und die abwechslungsreiche Kulisse liess die Zeit wie im Flug vergehen. Wir geniessen die lange Abfahrt hinunter ins Tal des Doubs, passieren das imposante Viadukt und sind verzückt von der Aussicht auf den Fluss und das romantische Örtchen, das sich an ihn schmiegt. Wären da nicht flanierende Touristen, könnte man sich leicht in lang vergangenen Zeiten wähnen.
Die kleinen verwinkelten Gassen mit ihren Lädchen, reich geschmückten Häuserfassaden und Restaurants sind so einladend, dass wir am liebsten noch einen Tag hier bleiben möchten. Doch der Alltag will uns zurück. Nur weil wir uns vornehmen, wieder zu kommen und dann nicht nur St. Ursanne sondern die ganze romantische Gegend des Naturparks Doubs mit Muse zu erkunden, fällt uns der Abschied an diesem Abend leicht.
Zurück in Zürich machen wir am nächsten Tag einen Abstecher zum Outdoorausrüster TRANSA und kommen aus dem Staunen nicht mehr raus. Hier treffen wir Jan Dohmen. Der 36-jährige Outdoor- und Velofreak arbeitet seit drei Jahren bei TRANSA und hat jede Menge Erfahrung. Mit seiner Frau radelte er bereits durch ganz Europa. Daher weiss er genau, worauf es ankommt hinsichtlich Vorbereitung, Planung, richtiger Ausrüstung und cleverer Packstrategie.
Geduldig erklärt uns Jan, welche Biketaschen an welche Art von Velo passen und worauf man unbedingt achten sollte. Uns wird schnell klar, wo unser Fehler lag! Dann zeigt er uns, wie man wahlweise im Zelt oder Biwak richtig übernachtet, welche Matte und welcher Schlafsack ideal für eine Velotour sind und wie man ein Velo richtig bepackt. Auch die Sache mit dem Kochen besprechen wir. Mit einem klappbaren Dreibein steht die Gaskartusche sicher im Gras, ein Windschutz und ein Topfdeckel verlängern die Brenndauer einer Gaskartusche immens.
Der 36-jährige Jan Dohmen arbeitet seit drei Jahren bei TRANSA und hat viel Erfahrung zum Thema Bike-Packing.
Jan hat jede Menge Tipps und Tricks dieser Art auf Lager, die er gerne teilt. Bei TRANSA heisst das «Personal-Shopping», ist im Normalfall für die vertiefte Reisevorbereitung gedacht, kann als Termin gebucht werden und ist als zusätzlicher Kundenservice sogar gratis. Für uns kommt diese Art von persönlichem Beratungstermin dieses Mal leider zu spät. Aber eines ist sicher: Vor der nächsten langen und ausgefallenen Tour egal ob auf dem Velo oder eher zu Fuss gehört für uns ein ausgiebiger Besuch bei TRANSA zum Pflichtprogramm.
SPOT TIPPS: BIKE-PACKING
Routen in den Freibergen:
1) Franches-Montagnes Rundtour: Ein Highlight der Region ist die 42 Kilometer lange «Franches-Montagnes» Rundtour ab Saignelégier, gekennzeichnet als Route 712. Mit Umweg über den bekannten Weiher «Etang de la Gruère» (Route 7) lässt sie die Freiberge von ihrer schönsten Seite erleben und bietet gleichzeitig grandiose Aussichten und herzliche Gastfreundschaft.
2) La Courtine Bike: Ein Geheimtipp unter Geniessern ist zudem die 22 Kilometer lange Route 723 «La Courtine Bike», eine Rundtour ab dem Bahnhof Montfaucon (Le Pré-Petitjean). Bereits nach wenigen Fahrminuten lockt hier der geheimnisvoll funkelnde See «Plain de Saigne» zur ersten besinnlichen Pause.
Weitere Tipps: juratourisme.ch
Bike-Hotel Tipp: Reka-Feriendorf Montfaucon reka.ch/hob
Kontakte:
TRANSA, Standorte: Zürich, Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Winterthur
+41 (0)848 0848 11, info@transa.ch, transa.ch
Kanton Jura Jura Tourisme
Rue de la Gruère 6, 2350 Saignelégier
+41 (0)32 432 41 60, juratourisme.ch
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Saignelégier-Gare CJ2350, 2350 Saignelégier
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